Lunchtalk am Mittag
Plattformwirtschaft in der Mobilität regional und europäisch gerecht organisieren
Auf Einladung der Berliner Taxiinnung debattierten Vertreter des Taxigewerbes, Politiker und Vertreter der Plattformwirtschaft bei einem Lunchtalk über die Zukunft des Taxigewerbes in Berlin, Deutschland und Europa. 50 Personen folgten der Einladung, um die neuesten Erkenntnisse zu erhalten. Der Vorsitzende der Berliner Taxiinnung, Leszek Nadolski, stellte die Teilnehmer in seiner Begrüßungsrede vor. Anschließend übergab er die Leitung an den Moderator Rolf Wiegand, der die unerwartet klare Diskussionen leitete.
Der Vertreter der Plattformwirtschaft von FreeNow, Alexander Münch, gab selbstkritisch zu Protokoll, dass das, was sie vor 10 Jahren mit FreeNow angestoßen haben, sich zu illegalen Strukturen entwickelt hat, die sie so nicht vorhersehen konnten. Er begrüßte die Initiative zum Datenaustausch zwischen Jobcenter und Finanzamt. „So können wir wenigstens versuchen, unsere Plattform sauber zu halten“, so Münch.
Der Vertreter der Plattform Funktaxen, Hermann Waldner, der gleichzeitig stellvertretender Bundesvorsitzender eines Taxiverbandes ist, stieß in das gleiche Horn. Nur wenn man mit harten Kontrollen die schwarzen Schafe auf dem Personentransportmarkt aussortiert, hat das ehrliche Taxigewerbe eine Chance zu überleben und Teil des individuellen Personennahverkehrs zu bleiben. In Berlin stehen inzwischen 50% der Taxis vor der Pleite.
Die Europaabgeordnete Gaby Bischoff kam in ihren Ausführungen zu dem Ergebnis, dass gerade bei den Mietwagen Scheinselbstständigkeit vorliegt. Um dies zu bekämpfen, hat man eine europäische Richtlinie beschlossen, um diesem illegalen Treiben Einhalt zu gebieten. Laut Erkenntnissen der EU sind inzwischen ca. 28 Millionen Menschen in dieser prekären Beschäftigung gefangen. In den nächsten zehn Jahren rechnet man damit, dass bis zu 45 Millionen Menschen versuchen werden, ihren Lebensunterhalt in diesem Bereich zu verdienen. Die neue Richtlinie wird nun zwei Jahre benötigen, um in nationales Recht umgesetzt zu werden. „Deshalb ist es wichtig, dass wir weiter am Ball bleiben und alle Rechtsmittel ausschöpfen, um diese Strukturen, die prekäre Beschäftigung fördern und dulden, abzuschaffen. Das Taxigewerbe hat mich an seiner Seite, um bessere Bedingungen zu schaffen, damit es wieder fair und gerecht im Mobilitätsbereich zugeht“, so die Europaabgeordnete Gaby Bischoff.
Der Verkehrspolitische Sprecher der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, Tino Schopf, ging noch einen Schritt weiter. Er sprach von Behördenversagen und machte dies am LABO deutlich. Im Dezember war er zwei Tage zur Akteneinsicht in dieser Behörde und ließ sich etliche Akten zeigen. Er sei kein Verwaltungsfachmann, aber selbst ihm sei aufgefallen, dass Firmen, die einen 19-jährigen Menschen für 960 Euro Brutto angestellt haben, um 50 Mietwagen rund um die Uhr zu organisieren, dies doch den Fachleuten des LABO auffallen müsse. Hier werde dringender Handlungsbedarf angemahnt. Wenn die kontrollierende Behörde nicht mehr weiß, was sie tut, wird es Zeit, die Strukturen zu ändern. Er geht von 2000 illegalen Akteuren im Mietwagenbereich aus und hinterfragt auch, ob die 4500 erteilten Genehmigungen für Mietwagen rechtens seien. Dabei werde er weiter am Ball bleiben und setzt auf die neue Verkehrssenatorin, die sich sehr offen für die Belange des Tax- und Mietwagengewerbes zeigt. Schopf sieht auch politisches Versagen der Grün geführten Verkehrssenats von 2016 bis 2021. Hier seien viele Fehler gemacht worden, die dringend bereinigt werden müssten.
Zum Abschluss dankte der Vorsitzende der Berliner Taxiinnung, Leszek Nadolski, für die rege und ehrliche Debatte und versprach, weiterhin für das Taxigewerbe in Berlin einzutreten. Er bedankte sich bei den Teilnehmenden und versicherte, die Politik zu begleiten, damit die offenkundigen Fehlentwicklungen zurückgeschraubt werden und eine garantierte Versorgung der Berliner Bevölkerung mit individuellem öffentlichem Personennahverkehr gewährleistet wird. Ein richtiger Schritt sei die Einführung von Festpreisen in Berlin, die ab dem Frühsommer möglich sein sollen.
Der Vorstand
Text und Bild Jürgen Jänen