Stellungnahme der Innung des Berliner Taxigewerbes e. V. zum Gesetz zur
Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung

Zunächst einmal wollen wir uns für die Einladung und Gelegenheit zur Stellungnahme herzlich
bedanken. Mit einem eigenständigen Mobilitätsgesetz will Berlin als erstes Bundesland eine Antwort auf
die gesellschaftlichen Fragen zur Klärung der offensichtlichen Konkurrenzsituation im Bereich
Verkehr geben und damit eine Grundlage für die Weiterentwicklung des Zusammenwirkens
aller Verkehrsmittel schaffen.

“ Und das ist gut so!“, könnte man auf gut Berlinerisch bewerten.

Weniger gut ist, dass das ÖPNV-Verkehrsmittel Taxi auf insgesamt 86 Seiten der Vorlage exakt
zweimal (am Rande) erwähnt wird. Einmal im Zusammenhang mit der Nutzung von ÖPNVFahrwegen
(Seite 24) und einmal in der Funktion als lnklusionstaxi im Zusammenhang mit der
nicht vollständig umgesetzten Barrierefreiheit (Seite 44). Es drängt sich der Eindruck auf, dass
das Gewerbe Taxi nicht mehr Teil des Personenbeförderungskonzeptes sein.

Auch wenn mit dem vorliegenden Gesetz zunächst einmal die verschiedenen Verkehrsmittel
des Umweltverbund es, also Fußverkehr, Radverkehr und klassischer, liniengebundener ÖPNVVerkehr
erfasst werden sollen, fordern wir bereits heute adäquate Regelungen für das Taxi im
noch zu erarbeitenden Abschnitt )ntelligente Mobilität“.

Hierzu möchten wir herausstellen, dass das Taxi als integraler Bestandteil des ÖPNV mit
Beförderungsgarantie 24 Stunden-Rückgrat der ÖPNV-Mobilität für Jedermann ist. 8.107 Taxis
(Stand 03.2018) befördern in Berl in monatlich mit ca. 3.000.000 Fahrgäste und ermöglichen
gerade älteren Menschen, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder Behinderungen –
und nicht selten auch die Möglichkeit, überhaupt noch ein selbstbestimmtes, autonomes
Leben zu führen.

Wir sind geringe Aufmerksamkeit bis hin zur völligen Ignoranz dieser Leistung für das
Allgemeinwohl-leider auch durch die Behörden- gewöhnt. Taxis scheinen selbstverständlich
zu sein, sie haben kurzfristig für Jedermann zur Verfügung zu stehen, natürlich zu
volkstümlichen Preisen und 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Das hinter dieser
ungeheuren Leistung viel unternehmerisches Engagement, Fleiß, unbedingte
Einsatzbereitschaft von rund 3.249 {Stand 03.2018) Unternehmern und ihren ca.: 12.000
Mitarbeitern im Taxigewerbe an Werktagen, Sonntagen und Feiertagen rund um die Uhr
dahinterstehen, wird leider viel zu selten zur Kenntnis genommen.

Doch die Selbstverständlichkeit, wie Sie Ihr Taxi nach 5 Minuten vor der Tür erwarten, ist eben
nicht selbstverständlich. Das ÖPNV-Verkehrsmittel an der Schnittstelle zur Individualmobilität
ist aktuell akut in seiner Existenz bedroht. Wir meinen damit nicht etwa Roboter-Taxis, die
erwarten wir im Großstadtverkehr realistisch nicht vor 10- 15 Jahren.

Aber bedroht durch neue Anbieter unter dem Deckmäntelchen )nnovativer
Verkehrskonzepte“. So ist in § 25 Abs. 11 des hier behandelten Entwurfes vorgesehen,
innovative Mobilitätskonzepte und Verkehrsangebote des ÖPNV mit Blick auf die verbesserte
Erfüllung der Ziele des Gesetzes zu erproben. Das liest sich gut. Wir fordern aber, bei den
Erprobungen Augenmaß zu bewahren und vor allen Dingen die öffentlichen
Verkehrsinteressen im Auge zu behalten, diese haben irgendwelchen Investoren und
Konzerninteressen vorzugehen.

Das Berliner Taxigewerbe nutzt bereits seit Jahrzehnten die Digitalisierung, um seine
Vermittlung effizient zu organisieren und Fahrgäste schnell und umweltfreundlich zu
bedienen. Die Taxi-Dienstleistungen können seit vielen Jahren über innovative Besteii-Apps
mit geringer Zugangsschwelle geordert werden. Was neue Herausforderer der Politik als
digitale Innovationen verkaufen wollen, ist für uns ein alter Hut. Wir sagen hier sogar, das
traditionell klein- und mittelständisch organisierte Taxigewerbe zeigt sich überaus innovativ,
so steht bspw. Taxi-Sharing in Berlin kurz vor dem offiziellen Startschuss.

Was wir aber befürchten ist, dass neue Anbieter und dahintersteckende, milliardenschwere
Konzerne alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen und unter Stichworten wie
„Ridesharing“, „Ride-Pooling“, mathematischer Algorithmus und „Digitalisierung“
Rosinenpickerei betreiben wollen. Eines ist den neuen Verkehrskonzepten – „BeriKönig“,
11Ciever Shuttle“ oder die neue Kooperation von ADAC und door2door und wie auch immer sie
heißen mögen – gemein: Bis jetzt hat keiner den Beweis erbracht, dass die Verkehre
eigenwirtschaftlich betrieben werden können. Aber mit Abermillionen von Konzerngeldern
wird einem klein ständischen Gewerbe das Leben schwer gemacht und existentiell bedroht.

Denn die neuen Herausforderer visieren insbesondere die attraktiven Fahrgastströme in
verkehrsreichen Zeiten und viel frequentierten Gebieten an, die verbleibenden Brotkrumen
werden gnädig dem Taxigewerbe übriggelassen. Damit werden aber nicht nur dem
Taxigewerbe, sondern auch dem klassischen ÖPNV wichtige Einnahmequellen ausgetrocknet,
die dringend zum betriebswirtschaftliehen Ausgleich für die unlukrativen, aber sozial
besonders wertvollen Fahrten wie etwa der „berühmten Oma“ zu ihrem 700 m entfernten
Arzt notwendig sind.

Die neuen Herausforderer wollen möglichst alle Privilegien eines ÖPNV-Verkehrsmittels
genießen, fordern aber, von den lästigen Pflichten (z.B. Tarifpflicht, Betriebspflicht,
Beförderungspflicht, Rückkehrpflicht zum Betriebssitz) zumindest teilweise entbunden zu
werden. Wir sagen: 11Same Business, same Rules“- gleiches Geschäft, gleiche Regeln.
Auch wenn Heerscharen von Lobbyisten, Rechtsanwälten und PR-Strategen einen anderen
Eindruck erwecken wollen, sind die neuen Mobilitätskonzepte ein Paradebeispiel für
rücksichtslosen Plattform-Kapitalismus.

Wir fordern deshalb, bei Genehmigungsanträgen im Rahmen der Experimentierklausel des§
2 Abs. 7 PBefG genau zu prüfen, ob die beabsichtigten Verkehre nicht öffentlichen
Verkehrsinteressen und damit dem Interesse der Allgemeinheit entgegenstehen. Es ist immer
sehr genau darauf zu achten, dass Rechten und Pflichten aller Teilnehmer am Verkehrsmarkt
in einer ausgewogenen Balance stehen.

 

Mit Freundlichen Grüßen

 

Leszek Nadolski

 

Download der Stellungnahme